Donnerstag, 29. September 2016

Wenn "goth" nicht goth ist: eine Polemik über "goth"-Trends

Kürzlich bin ich wieder einmal über mehrere Artikel und Videos gestolpert, die irgendwie um Mode/Fashion und/oder Lifestyle in Verbindung mit dem goth- bzw. Gothic-Begriff kreisen. Dabei habe ich mich wieder einmal gefragt, warum der Begriff immer wieder für (Fashion- und Lifestyle-)Trends missbraucht wird, die nichts mit der "Gothic"-Subkultur und der schwarzen Szene zu tun haben.

Fangen wir doch gleich mit dem aktuellsten Beispiel an, diesem Werbeclip für ASOS:


Man nehme ein paar Klamotten in Schwarz oder Violett, mit Spitze oder aus Leder, und schon sind sie "goth". Wenn man das Ganze noch mit bunten Käfer- und Blumenstickereien und den Worten "punkig", "märchenhaft", "girlig" und "romantisch" kombiniert, einen "Star" (nach welch zweifelhaften Kriterien auch immer) als Inspiration zitiert und dazu noch das kränklich-feminine Make-Up auflegt, gilt (Zitat): "Gothic ist auf jeden Fall in!" ... auch wenn das zusammengestellte Outfit dann nicht einmal ansatzweise "gothic" ist und man dem Model ansieht, dass es vermutlich noch keinem Goth näher als 5 Meter gekommen ist. Aber Trend ist Trend, und man muß ja auf den Zug aufspringen. Im Zweifelsfall mit bunten Blumenstickereien.

Grundsätzlich ist natürlich nichts dagegen zu sagen, dass sich Designer von Subkulturen inspirieren lassen - einige von ihnen haben vermutlich ihrerseits auch die Szene inspiriert: Vivienne Westwood fiele mir da ein. Oder Gareth Pugh, Rick Owens, Ann Demeulemeester. Meines Wissens haben diese ihre Werke aber nie als "goth" oder "gothic" beworben. 

Natürlich haben solche Trends für die Szene den Vorteil, dass sich die Auswahl an tauglichen Klamotten schlagartig erhöht, wenn man denn bereit ist, seinen Individualismus aufzugeben und womöglich als Trend-Mitläufer angesehen zu werden, der seiner kleinen Schwester die Klamotten klaut. Und man muss dann natürlich auch außer Acht lassen, dass sich die Gothic-Subkultur ursprünglich auch als Gegenbewegung zu Trends und Kommerz sah und DIY zur Kunstform erhob.

In dieselbe Kerbe schlagen auch ältere Trends mit Bezeichnungen wie "gothninja" (googlet es), die außer dem Namen und der vorherrschenden Farbe nichts mit der Subkultur (und oft auch nichts mit deren Stil) zu tun haben. 

Ein anderes Beispiel: die Autorin und Filmemacherin Liisa Ladouceur, die regelmäßig über die Szene schreibt und davon lebt, hat kürzlich ein Video über die "... evolution of goth clothing, hair and make-up styles..." gemacht, das ich eigentlich nur als Satire verstehen kann:


Mal ganz abgesehen davon, dass Stile wie Cybergoth, Steampunk und Gothic Lolita teilweise zeitlich falsch eingeordnet sind (Lolita z.B. ist ein reiner Modetrend und seit den frühen 70ern in Japan bekannt, also vor dem Aufkommen der Gothic-Subkultur), ist auch ihre Zuordnung zur Subkultur eher zweifelhaft, da die dahinter stehenden Ideen (sofern es überhaupt welche gibt *hüstel*) völlig andere sind. Dass sie heute auch in der Schwarzen Szene anzutreffen sind, hat eher damit zu tun, dass die Veranstalter großer Events mehr Publikum anziehen wollten und einfach alles zusammen geworfen haben, das sich bei 3 nicht im tiefsten Graben versteckt hatte.

Ein weiteres Beispiel ist "healthgoth". Was das ist? Die grundlegende Idee scheint zu sein, Sport in schwarzen Klamotten zu treiben. Und sich dabei zu fotografieren oder darüber zu twittern. Natürlich spricht nichts dagegen, ein gesunder und fitter Grufti zu sein, besonders weil man dann leichter vor dummen Leuten und Fashion Victims davonlaufen kann. Aber was hat das mit der Subkultur zu tun? Nichts, es ist einfach nur ein Trend-Begriff, um mehr schwarze Sportklamotten verkaufen oder alternativ sich selbst besser vermarkten zu können. Und die überwiegende Mehrzahl der "#healthgoth"-Hashtagnutzer hält vermutlich Darth Vader für das Vorbild aller Grufties, schließlich ist der auch ganz blass und faselt ständig von der "dunklen Seite".... 

Nicht überall wo "goth" drauf steht, ist also auch goth drin. Gothseidank gibt es in der Szene genug Kellerkinder und Arroganz, die die Szene auch solche Attacken überstehen lassen.

2 Kommentare:

  1. Diese seltsamen neuartigen Sparten wie "healthgoth", "ghettogoth" und "hipstergoth" sind mir auch....etwas suspekt ;) genau wie solche High Fashion Gothic Styles von Menschen, die sonst eher auf irgendwelchen Schickeria Parties anzutreffen sind.

    Ansich finde ich den alle paar Jahre aufkommenden "Gothic" Trend aber nicht so schlimm, da findet man zumindest manchmal ein paar schöne Klamotten in H&M & Konsorten :)

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  2. @Angelica Ja, die größere Auswahl an Kleidung in der passenden Farbe ist ein Vorteil der Trends, aber auch so ziemlich der einzige. Mich stört dabei aber immer die Oberflächlichkeit, die einem dann entgegenschlägt, und dass sich Leute darüber profilieren, die sonst nichts können....

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